Wie würdest du gekündigt werden wollen?

Franziska Gottschalk
·
26. Februar 2024
Franziska Gottschalk vor einem Bücherregal

Vor ein paar Tagen räumte ich mal wieder mein geliebtes übervolles Bücherregal auf. Und das Aussortieren gehört ja auch immer mit dazu. Bei dem Buch über «Trennungskultur» bin ich hängengeblieben und habe überlegt, ob es mir wohl in meinen jetzigen Rollen als Transformation und Leadership Coach noch hilfreich ist???

Und prompt klingelt das Telefon: Ich freue mich sehr, Volker wieder zu hören. Unser Kontakt war nach einer sehr intensiven Transformationsphase, die wir gemeinsam führten, eingeschlafen. Doch schon nach den ersten Sätzen fühlte es sich an, als hätten wir erst gestern das letzte Mal miteinander gesprochen und gearbeitet.

Und er erzählte unglaubliches!

Ihm wurde gekündigt! Und wie!

Ein Mann bestens ausgebildet, der federleicht Menschen motivieren und für ein gemeinsames Ziel begeistern kann, eine Führungskraft, ein Macher durch und durch! Ein Highperformer seit dem ersten Anstellungstag vor gut 10 Jahren! Er bringt dem Unternehmen durch die Innovationen seines Teams seit vielen Jahren kontinuierlich hohe finanzielle Gewinne.

Nein, er brachte dem Unternehmen durch die Innovationen seines Teams kontinuierlich hohe finanzielle Gewinne. Vergangenheit.

Nach der vorletzten Reorganisation war er irgendwie auf dem Abstellgleis gelandet. Doch auch hier zeigte sich seine Loyalität und Initiative: Er suchte immer wieder das Gespräch mit seinem Vorgesetzten.

Bitte gut lesen: ER, Volker, suchte immer wieder aktiv das Gespräch – nicht die Führungskraft.

Er erzählte mir, dass diese Gespräche in der Regel sehr kurz waren. Und der Vorgesetzte betonte jedes Mal, wie zufrieden er mit Volker’s Arbeit sei. Und Volker betonte jedes Mal, dass er mehr leisten könne, dass er sein Potential zur Zeit nicht ausschöpfe. Volker fragte, ob es an der Zeit wäre, dass er sich intern eine neue Challenge sucht. Nein, alles ok., sagt der Chef.

Ansonsten hatten die beiden kaum Kontakt in ihrem beruflichen Alltag.

Doch im Februar flatterte auf einmal ein Termin für ein «1:1» rein. Und komisch: Wenn man genauer hinschaute, konnte man sehen, dass das HR auch eingeladen war. Ein «1:1» zu dritt? …Nachtigall, ick hör dir trapsen…, würde meine Oma jetzt sagen.

Und nach 15 min war die Kündigung ausgesprochen, die Formalitäten erledigt und ein jahrelanger Highperformer aus der eigenen Talenteakademie war raus. Ein Abschiedsapéro ist ausdrücklich nicht erwünscht. Und so geht Volker nach fast 20 Jahren durch die Tür, ohne sich offiziell von seinen Teamkolleg:innen zu verabschieden, ohne selbst verabschiedet zu werden…

Ich finde diese Geschichte unglaublich. Un-glaub-lich. Auch kaum zu glauben, ist Volker leider nur einer unter vielen. Ich persönlich kenne einige Menschen mit verschiedenen Varianten der gleichen frustrierenden Geschichte.

Das passiert selbst den Besten unter uns.

Nur reden wir meistens nur hinter vorgehaltener Hand darüber.

Doch sind wir denn verrückt, uns diese Geringschätzung und Respektlosigkeit gegenseitig zuzumuten?

Volker wird niemals mehr jemandem in seinem grossen Netzwerk empfehlen, ihre:seine Energie in diese Organisation zu stecken. Im Gegenteil: Er wird jeder:m davon dringlichst abraten.

Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen, diese Art von «Führungsverhalten» zu akzeptieren?

Alle Rufe nach Mitarbeitenden mit Eigeninitiative, nach Potentialentfaltung, nach unternehmerischem Denken und Handeln, nach Loyalität sind doch so völlig ad absurdum geführt.

Und Volker selbst? Er muss sich jetzt erstmal wieder aufrappeln. Das war ein echter Schlag in die Magengrube und muss erstmal verdaut werden…

Kündigungen gehören zu unserem Arbeitsleben dazu. Und sie sind auch nicht immer die schlechteste Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Das gilt für beide Seiten.

Doch bitte mit Menschlichkeit. Mit Respekt. Mit Wertschätzung. Mit Achtung vor der:m Anderen.

Und das ist gar nicht so kompliziert.

Es braucht nur eine Entscheidung: Bin ich als Führungskraft bereit, die volle Verantwortung für diese Entscheidung zu übernehmen? Bin ich bereit, meinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen?

Volker hätte auch dies erleben können:

Die vorletzte Reorganisation hat vieles umgekrempelt und die Kompetenzen von Volker kommen an diesem neuen Ort nicht mehr bestmöglich zum Einsatz.

Volker und sein Chef merken dies schon nach kurzer Zeit. Da sie sich im Alltag kaum begegnen, aber der Vorgesetzte die «neuen» Führungskräfte in seiner Abteilung kennenlernen will, treffen sie sich einmal im Monat auf einen Kaffee. Ganz ungezwungen sprechen sie ihre Gedanken, Beobachtungen und Gefühle aus. Der Vorgesetzte fragt Volker, wie es ihm in seiner Position geht. Und Volker spricht offen über seine Frustration, die sich immer stärker zeigt. Beide denken ein paar Ideen durch, doch es lässt sich in diesem Bereich zur Zeit nichts wirklich passendes für Volker finden.

Sie machen gemeinsam ab, dass Volker sich auf die Suche macht. Und zwar intern, denn so ein Highperformer mit so viel Branchenerfahrung ist in anderen Abteilungen super gefragt! Und auch Volkers Wissen aus der Weiterbildung letztes Jahr, kann die Organisation gut gebrauchen. Der Chef bietet Volker seine aktive Unterstützung an und stellt Volker sein internes Netzwerk zur Verfügung.

Nach drei Wochen hat Volker bereits ein super interessantes internes Angebot. Eine Woche später erhält er eine zweite interne Möglichkeit. Jetzt muss er sich nur noch entscheiden… und einen fröhlichen Apéro im Team organisieren.

Volker erzählt weit und breit von «seiner» super Firma – wo er auch nach all den Jahren wertgeschätzt und unterstützt wird. Ja, er gibt viel, doch er bekommt auch viel Vertrauen zurück. Sein zukünftiger Ex-Chef und er bleiben in Kontakt, denn ein, zwei Ideen werden vielleicht in der Zukunft Realität…?

Übrigens: Das ist ein echtes Szenario aus der Realität.

Zu schön, um wahr zu sein? Probier es aus und bilde dir selbst eine Meinung!

Neugierige Grüsse,

Franziska

Was sind deine Gedanken und Erfahrungen? Lass es mich wissen und wir bleiben im Gespräch: franziska.gottschalk(at)all-dimensions.com

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