Dass es einem gut tut, sogar glücklich machen kann, wenn man mit anderen Menschen ein Gespräch über Themen führen kann, die einem wirklich berühren, mag nicht erstaunen. Dass aber auch ein tiefgründiges Gespräch mit einem Fremden denselben Effekt hat, erstaunt offenbar viele. Doch dies ist auch wissenschaftlich bewiesen: Der amerikanische Psychologe Nicholas Epley hat es mit seinen Studien belegt.
Mich erstaunt dies ganz und gar nicht: Denn schon Anfang der 2000er Jahre habe ich von der Kanadierin Birgitt Williams («Genuine Contact Programm») gelernt, dass es für einen echten zwischenmenschlichen Kontakt eine Verbindung von Herz zu Herz – und nicht «von Fassade zu Fassade» – braucht. Und dass dies am besten mit Gesprächen über Fragen, die mich selbst mit mir in einen tiefen Kontakt bringen, funktioniert. Wenn zwei über etwas reden können, das sie selbst bewegt, kommen sie sich sehr schnell näher.
Mein Arbeitskollege – das unbekannte Wesen
Wir arbeiten auch in Business-Kontext in kleinen und grossen Gruppen sehr oft mit Fragen, die in die Tiefe führen. Denn wenn Menschen sich gegenseitig öffnen, kommt eine neue Qualität von Beziehung zustande. Häufig haben wir nur ein einseitiges Bild von unseren Arbeitskolleg:innen. Wenn ich aber etwas über den/die andere:n erfahre, was ich noch nicht wusste, und umgekehrt, hilft dies auch, um Verständnis füreinander zu entwickeln. Und es macht uns gegenseitig nahbarer.
«Deep talking» funktioniert in ganz kurzen Sequenzen, zum Beispiel im Rahmen eines kurzen «Speed-Datings», in dem wir uns in kurzer Zeit gegenseitig persönliche Fragen beantworten. Frag zum Beispiel: «Bei welchem Tun kannst du die Zeit vergessen?» – und schon hörst du eine inspirierende Geschichte…
Raum zum «Sprech-Denken» schaffen
Besonders wirksam ist «deep talking», wenn «deep listening» damit einhergeht: Wenn ich bereit bin, dem jeweils anderen wirklich ganz aufmerksam und ohne ihn/sie zu unterbrechen, zuzuhören, gebe ich dem anderen auch Raum zum «deep thinking». Raum also, um die eigenen Gedanken in seinem Inneren entstehen zu lassen und sie aus dem Moment heraus zu formulieren. Manchmal sind dies auch noch unfertige Gedanken, eine Art suchende Bewegung – wir nennen es auch «Sprech-Denken» – die nicht selten zu «bisher noch nicht Gedachtem», also zu neuen Einsichten führt. Und das sind dann oft eigentliche Durchbrüche in einem Lösungsfindungsprozess, die auch die Kraft haben, die anderen im Kreis zu überzeugen.
Es gibt auch methodische Ansätze, die geeignet Strukturen für solche Erkenntnisprozesse bilden: «Thinking Circle» und «Dynamic Faciliation» sind zwei davon.
Herzliche Grüsse,
Ein Berîcht über Nicholas Epley’s Erkenntnisse findest du hier: http://www.srf.ch/wissen/mensch/deeptalk-macht-gluecklich-die-superkraft-des-tiefgruendigen-gespraechs