Schon ziemlich nachdenklich gemacht, wenn auch nicht wirklich erstaunt, haben mich die Ergebnisse einer neuen Studie, die zeigt, dass sich die aus den aktuellen Krisen resultierenden Bedürfnisse in Hinblick auf Führung bei Mitarbeitenden und Führungskräften deutlich unterscheiden.
SPIEGEL-Bestseller-Autorin Vera Starker sagt dazu in einem Interview mit dem manager-magazin*: «Je schwieriger die Zeiten, desto stärker werden alte Führungsmuster aktiviert. Viele Führungskräfte gaben an, in diesen Zeiten sei „Strong Leadership“ gefragt – also eine harte Hand. Wenig diskutieren, schnell durchgreifen und Autorität zeigen.» Umgekehrt zeige aber die Studie, «dass Mitarbeitende vor allem das Bedürfnis nach struktureller Klarheit, sozialen Regeln und deren Einhaltung» hätten.
Und weiter sagt sie, es gehe es ja heute darum, «dass Organisationen die gestiegene Komplexität und Volatilität nur dann gut bewältigen können, wenn sie selbstbestimmt agierende Führungskräfte und Mitarbeitende haben, die mit einer hohen Problemlösungskompetenz Verantwortung übernehmen. Agilität … hat keinen Selbstzweck, sondern beschleunigt Entscheidungen und Lernen. Das kann aber nur geschehen, wenn die Organisation an sich strukturell und kulturell agiles und damit dezentrales Arbeiten ermöglicht. Das ist das Gegenteil von Top Down und autoritärem Leadership.»
Mitarbeitende suchen in diesen Zeiten wie gesagt mehr Sicherheit und Klarheit. Dazu sagt Vera Starker – und ich zitiere sie hier nochmal, weil es unsere eigene Erfahrung absolut trifft: «Strukturen (Anmerkung der Blog-Schreiberin: wozu z.B. auch Entscheidprozesse zählen), klare Verantwortungszuordnung und belastbare soziale Normen können Sicherheit vermitteln.» Führungskräfte, die in ein autoritäres Führungsverhalten zurückfallen, liessen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden ausser Acht und verpassten dadurch ihre Chance auf eine gemeinsame Krisenbewältigung.
Ja, ich weiss, es ist einfacher gesagt als getan, bei einem modernen Führungsverständnis zu bleiben, wenn der Druck von den Unternehmenseignern zunimmt und vor allem Sparen und Effizienzsteigerung angesagt ist… – Deshalb habe ich den höchsten Respekt vor Führungskräften, die den Mut haben, auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten dran zu bleiben, und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation unter Einbezug und im Vertrauen auf ihre Mitarbeitenden anzupacken.
Wie das gehen kann, habe ich kürzlich wieder miterlebt: Zusammen mit meinen beiden Kooperationspartnern Jutta Herzog und Matthias zur Bonsen von all in one spirit und einer Assistentin habe ich in Oberursel (D) gegen 50 Teilnehmende aus sechs verschiedenen Organisationen durchs «Leading with Life»-Camp begleiten dürfen. Dieses hat dreieinhalb Tage gedauert inklusive einer Nacht draussen im Wald. Und es beinhaltete auch eine eintägige Open Space-Konferenz: Offener Raum für die Themen, die den Teilnehmenden gerade unter den Nägeln brennen.
Und es war wieder faszinierend mitzuerleben, welche gegenseitigen Inspirationen, konkreten Ideen und Handlungsimpulse sich in dieser kurzen Zeit entwickelten! Und berührend zu hören, welche persönlichen Einsichten entstehen konnten. Und unglaublich, welcher Energieschub die gemeinsame Zeit bei den Teilnehmenden verursachte!
Möglich war die Durchführung eines solchen Camps natürlich nur, weil die sechs Leader, die mit ihren Unternehmen, ihrer Verwaltung bzw. ihrer Institution zum Teil auch in starkem Gegenwind stehen, den Mut hatten, von ihrem «neuen» Führungsverständnis nicht abzuweichen. Und dass sie nicht nur ihren Mitarbeitenden den Raum zur Verfügung zu stellten, sich mit all ihrem Sein einzubringen, sondern dass sie auch bereit waren und es weiterhin sind, inter-organisationales Lernen zuzulassen. Wirklich richtig toll! – Die sechs hatten übrigens alle vorgängig unsere «Leading with Life»-Week besucht.
Mir geben solche Führungskräfte die Zuversicht, dass es eben in wirtschaftlichen Krisen auch ohne «Zurückschnalzen» in ein veraltetes Führungsverständnis geht.
Danke deshalb an alle, die auch in schwierigen Zeiten den Mut aufbringen, zu ihrer Überzeugung zu stehen und damit auch eine wichtige Vorbildfunktion übernehmen! Und danke an alle, die sich mit ihrem Wissen und Können und ihrem ganzen Sein in die anstehenden Transformationsprozesse einbringen – ob Führungskräfte oder Mitarbeitende!
Herzliche Grüsse,